Kein flüchtiges Plauderthema

Kein flüchtiges Plauderthema

«Ähm, woher kommst du eigentlich ursprünglich?» Eine Frage, die Amina Mvidie öfters zu hören bekommt. Eine Kolumne über Erfahrungen, die weder Tabu noch Alltag sein sollten.

«Ähm, woher kommst du eigentlich ursprünglich?» Diese vermeintlich belanglose Frage kriege ich des Öfteren zu hören. Meist wird sie aus reiner Neugier gestellt – vermute ich. Denn das V, das in meinem Namen direkt auf ein M folgt, diese Kombination von Konsonanten, die sei nun mal wirklich nicht gängig und das schöne Afrohaar lasse sicherlich auf eine fremdländische Abstammung schliessen.

Diese trivialen Bemerkungen werden der Herkunftsfrage vor- oder nachgeschoben, um die Neugierde vor dem Gegenüber, und vor allem vor sich selbst, zu rechtfertigen. Die in meinem Fall wohl offensichtlichste Tatsache, die Hautfarbe, wird dabei mit Bedacht ausgespart. Keinesfalls soll in dieser Frage auch nur einen Hauch des Anscheins von einem rassistischen Unterton mitschwingen. Schliesslich sei man nur ein bisschen gwunderig und das solle man doch sein dürfen. Immerhin haben es auch grosse Denker wie Albert Einstein gesagt: «Das Wichtigste ist, dass man nicht aufhört zu fragen.»

Natürlich bin ich auch der Meinung, dass es wichtig ist, Fragen zu stellen – ganz viele Fragen sogar. Denn nur durch sie erlangen wir neue Perspektiven, anhand deren wir die Welt ein kleines bisschen besser verstehen können. Trotzdem sollte man davon absehen, die Frage nach der Herkunft ins Small-Talk-Repertoire aufzunehmen und stattdessen etwas Feingefühl walten lassen.

Letztendlich handelt es sich dabei nicht um ein flüchtiges Plauderthema, das in einem Wartezimmer besprochen wird, sondern um etwas sehr Persönliches: Um die eigene Biografie. Und wie jede Geschichte ist auch diese mit Emotionen und Erlebnissen verbunden, die man nicht unbedingt mit einem wildfremden Menschen teilen möchte. Erst recht nicht, wenn aus Geringschätzung oder reiner Gefälligkeit gefragt wird. Darum lohnt es sich, zwei Mal darüber nachzudenken, wann, wem und wie man diese Frage stellt.

Dennoch wirkt bereits ein freundlicher Gesichtsausdruck Wunder. Verbindet man diesen mit aufrichtigem Interesse und etwas Formulierungsgeschick, gelingt es, auch diese komplexe Frage zu meistern. Und auf das «eigentlich» könnte eigentlich auch verzichtet werden.

 

Amina Mvidie ist Kommunikationsstudentin an der ZHAW und empfiehlt regelmässig Veranstaltungen fürs Coucou.

Zwischen Zerfall und Pragmatismus
Zwischen Zerfall und Pragmatismus
Hintergrund

Wer der Zürcherstrasse entlangfährt, kommt nicht darum herum, den Blick über das Zentrum Töss schweifen zu lassen. Seit über 50 Jahren prägt der brutalistische Bau mit seinen markanten Formen und der…

Schachzüge und Tacklings
Schachzüge und Tacklings
Hintergrund

Football assoziiert man hierzulande in erster Linie mit der NFL, der National Football League der USA. Doch auch in der Schweiz ist die Sportart verbreiteter, als man meinen würde. Die Winterthur…

Kopfstand auf zwei Rädern
Kopfstand auf zwei Rädern
Hintergrund

Gleichgewicht, Konzentration, Kraft: Auf einem Kunstrad braucht man ein ganzes Bündel an Skills. Velofahren an sich kann für manche schon eine Herausforderung sein – und dann noch auf dem Lenker…

Leidenschaft auf Sand
Leidenschaft auf Sand
Hintergrund

Schnelle Pässe, kurze Strecken, kunstvolle Fallrückzieher – und eine sehr kurze Saison im Juni und Juli. In Winterthur sind gut 60 Spieler*innen dem Beachsoccer verfallen, einer Randsportart, die vom…

Wie der letzten Ruhestätte Sorge getragen wird
Wie der letzten Ruhestätte Sorge getragen wird
Hintergrund

Friedhöfe sind nie nur letzte Ruhestätten. Nebst dem, dass sie als Orte der Trauer und des Rückzugs dienen können, sind sie immer auch Betriebe mit eigenen Aufgaben, Abläufen und Zuständigkeiten. Auf…