Dementsprechend verkörpert er eine noch immer populäre Vorstellung eines Dichters. Nein, es ist weder die Rede vom zen-ruhigen William-Carlos-Williams-Dichter-Typ aus «Paterson» (2016), der sanft das detailreiche Gekräusel des Alltäglichen umschreibt, noch vom orthodox-ergebenen Arseni-Tarkovsky-Dichter-Typ aus «Nostalghia» (1983), der sich schwermütig den unvergänglichen Tiefen des Lebens verschreibt, sondern von jenem Rimbaud-Typen, den der Autor Henry Miller in seinem Buch «Time of the Assassins» charakterisiert als «inspired madman», welcher mit pagan-lüsternem Pathos verkündet, «everything we are taught is false», und selbstsicher gegen die Plattheit gesellschaftlicher Normen anschreit – darin dem Beatnik-, Expressionismus-, Sturm-und-Drang-Typen ähnelnd. Zugegeben, da heute kreativ-destruktive Charaktere häufig als Yuppies in Businessmen-Filmen auftreten, hat der Rimbaud-Typ einiges seiner Bohème-Aura eingebüsst. Hartleys Film schadet das nicht, es macht ihn eher interessanter, wird darin doch Henry Fool nicht einfach glorifiziert.
Hartley lässt sich als amerikanischer Autoren-Regisseur bezeichnen. Besonders seinen frühen Filmen sieht man seine Handschrift an: absurd-zirkuläre Dialoge, entdramatisiertes Schauspiel, bizarre Narrative, thematischer Fokus auf Entfremdung und zerrüttete Vorstadtfamilien. Man kann ihn neben Richard Linklater, Spike Lee und Jim Jarmusch stellen: den wichtigen Grössen des amerikanischen Indie-Films der 1980er- und 1990er-Jahre.
Julius Schmidt ist Filmliebhaber.